Hispanoteca - Lengua y Cultura hispanas

Flamenco - Ein Überblick

La música en España

(comp.) Justo Fernández López

www.hispanoteca.eu

horizontal rule

Der Flamenco - Ein Überblick

Herkunft des Wortes Flamenco

In den zahlreichen Versuchen, die Herkunft des Wortes flamenco zu erklären, spiegelt sich das Bestreben, eine möglichst originelle Herleitung zu finden. Ricardo Molina (1971) nennt einige dieser angeblichen Wortwurzeln, die man vor allem im Arabischen suchte: felag-mengu (wandernder Bauer), felaicum oder felahmen ikum (Bauer) oder felagenkum (maurische Gesänge der Alpujarra).(2)

Aber man darf nicht vergessen, dass ab Ende des 18. Jahrhunderts das Wort flamenco (ursprünglich nur "Flame, flämisch") auch ein Synonym für gitano (Zigeuner) wurde. Diese Bedeutungsverschiebung erklärt sich aus dem Argot des 18. Jahrhunderts, in dem flamenco als Adjektiv den Sinn von 'prahlerisch', forsch, 'stolz' hatte, mit einem leicht negativen Unterton. Ob diese Bedeutung auf die flandrischen Soldaten Karls V. mit ihrem arroganten Auftreten zurückgeht, ist nicht bewiesen. Bis zum Zeitpunkt, da man die Gitanos mit diesem Namen zu bezeichnen begann, hatte sich die abwertende Nuance des Wortes aber schon wieder verloren, so dass Karl III., der 1782 die jahrhundertlange Verfolgung der Gitanos beendete, flamenco als Ersatz für das unbeliebte Wort gitano vorschlagen konnte. Heute bezeichnet das Wort nicht nur die Gesamtheit des Gesanges der andalusischen Zigeuner, sondern auch eine bestimmte Haltung zum Leben: Stolz, Selbstbewusstsein, Stil, Furchtlosigkeit. So sagt man von einer Frau, die ein sicheres Auftreten hat, sie sei muy flamenca. Auch für besonders kühne Stierkämpfer wird es benutzt.

Was ist Flamenco-Musik?

Dementsprechend war also música flamenca im Sprachgebrauch der Zeit schlicht Zigeunermusik. Erst am Ende der jahrhundertelangen Verfolgungen der Gitanos - nach den Gesetzen von Karl III. nach 1782 - trat sie aus dem bis dahin für Außenstehende unzugänglichen Zirkel der Gitano-Familien heraus. Zumindest bis 1860 wurde sie ausschließlich von Gitanos interpretiert, von denen dann auch allmählich die payos, die Nicht-Gitanos, zu lernen begannen.

Inzwischen ist die musikalische Bedeutung von flamenco nicht mehr so eindeutig wie vor 200 Jahren, im Gegenteil. Fast jeder Autor versucht sich (ähnlich wie bei der sprachlichen Herleitung des Wortes) in neuen Definitionen, Begriffsabgrenzungen und Klassifikationen der damit bezeichneten Musikformen. Im Volksmund ist flamenco oft alles, was irgendwie  "andalusisch" klingt.

Der ursprüngliche Flamenco wurde gegen alle Regeln des Belcanto gesungen. Aber von 1890 bis 1920 hat der Flamenco die Theaterbühnen erobert und sich dem Belcanto angepasst und dabei seine ursprüngliche Traurigkeit und Rauheit verloren. Plötzlich war der Flamenco salonfähig, bis 1922 der große Komponist Manuel de Falla und der Dichter García Lorca den ursprünglichen Flamenco neu entdeckt haben. Seither wird oft cante jondo oder cante hondo (tief empfunden) als reinste, ursprünglich tragische Form einem vordergründigen oder sehr stark 'akademisch' formalisierten flamenco entgegengestellt. Eine heute noch gültige Einteilung des Flamenco hat Ricardo Molina (1971) gemacht. Ihm gelang die beste Systematisierung der Flamencoweisen, die unter dem Namen flamenco zusammengefasst sind. (3)

Der Ursprung des Flamenco

Die Heimat des Flamenco ist Andalusien (4), das in seiner unruhigen Geschichte von vielen Rassen und Kulturen geprägt wurde. Zigeunerstämme, die bereits im 15. Jahrhundert nach Spanien eingewandert waren, hatten sich teilweise dort niedergelassen. Diese gitanos (von ihrem Wirtsvolk agiptanos, Ägypter genannt) brachten "im Musikgut ihrer indischen Heimat und in der Vielfalt musikalischer Formen des Orients, die sie sich auf ihrer langen Reise angeeignet hatten," (5) schon eine Form des cante jondo, des ursprünglichen Flamenco, mit.

Allerdings kam der Flamenco nicht als etwas Fertiges nach Spanien, sondern musste sich dort erst entwickeln. Die Musik der Zigeuner musste mit der des andalusischen Volkes verschmelzen und sie durchdringen. In einer jahrhundertlang geübten Anpassungsfähigkeit und in der Sicherheit für Rhythmus und Nachbildung gelang es dem Zigeunervolk, auf der Basis des Mitgebrachten und des Bestehenden den Gesang zu schmieden.

"Ganz klar Stellung bezieht Molina zu der Frage, wie stark der Anteil der Gitanos an der Schöpfung des Flamenco sei: Sie seien die 'Schmiede', die aus dem 'Metall' der andalusischen Musik den ursprünglichen Flamenco geformt hätten - ein einzigartiges Produkt, das sich weder in anderen Provinzen Spaniens, noch bei Roma anderer Länder findet. Die Hartnäckigkeit, mit der immer noch, vor allem in Spanien, die These vertreten wird, die Gitanos seien 'bloße Interpreten' ohne eigene Kreativität, zeigt das ambivalente Gemisch aus Neid und Bewunderung, Furcht und Verachtung, das diesem Volk seit jeher entgegengebracht wird. " (6)

Es ist somit also erwiesen, dass die Gitanos wesentlich am Entstehen des cante jondo beteiligt waren, und doch lässt sich nicht alles auf den "Zigeunergesang" zurückführen. Der Flamenco ist, wie Jung es formuliert, "in seiner Gesamtheit Frucht einer Integration verschiedenster Elemente und Quellen". (7) Die Diskussion der Quellenfrage fasst er zusammen wie folgt:

a) Die liturgischen Gesänge des mozarabischen, von Byzanz beeinflussten Ritus, der in der Urkirche Spaniens bis gegen Ende des 11. Jahrhunderts beibehalten und darin von der römischen Liturgie abgelöst wurde, hatten auf die spanische Sakralmusik und auf die musikalische Struktur einiger Jondogesänge (debla, seguiriya) starken Einfluss.

b) Auch von den Psalmen- und Synagogengesängen der spanischen Juden her wird eine bedeutende Beeinflussung vermutet. Besonders die Art und Weise, wie cante jondo gesungen wird, erinnert an die Juden, die in ihren Synagogen richtig zu Gott "schreien".

c) Die Invasion der Araber (Mauren) 711 und die lange Herrschaft dieses Kulturvolkes (bis 1492) drückten der andalusischen Musik ihren Stempel auf, dessen Nachwirkungen noch in vielen Flamencogattungen (fandango, granaína, taranta usw.) spürbar sind. (8)

Erst im 19. Jahrhundert jedoch war der Flamenco so weit, dass er in den öffentlichen Raum vordrang. Die so genannten cafés cantantes bildeten den Rahmen für eine entsprechende Popularisierung, und in ihnen traten zum ersten Mal berufsmäßige Sänger auf, denen jedoch aus der Sicht der Geschichte des Flamenco große Bedeutung zukommt. Sie "haben das Überlieferte bewahrt, und dank ihrer schöpferischen Impulse lebt der Flamenco bis in unsere Tage in seiner Einmaligkeit und Reinheit'. (9)

Die Kunst des Flamencogesanges

Es ist üblich, innerhalb des cante flamenco als Überbegriff zwischen zwei Spielarten, dem cante jondo (tiefer Gesang) und dem cante flamenco (Flamenco) im engeren Sinn zu unterscheiden. Dazwischen siedelt sich der cante intermedio an, dessen Quellen nicht im Zigeunergesang zu suchen sind, obwohl er in manchem an den cante jondo erinnert. Dieser ist, wie Jung treffend formuliert, "in seinem komplizierten Aufbau und Rhythmus, seiner traurigen Expression und rituellen Feierlichkeit die profundeste Aussage der Flamencokunst". (10) Dieser schwierige Gesang klingt für mitteleuropäische Ohren "un-heimlich" und fremdartig. Die schluchzende Art zu singen und die Ernsthaftigkeit des Ausdrucks, ohne Sentimentalität, läuft der Gemütslage unserer Zeit entgegen und ruft bei "aufgeklärten", aber nicht eingeweihten Zuhörern eine "lustige" (oft sogar komische) Abwehrreaktion hervor.

Ein konstitutives Element des Flamenco ist aber auch der Text, die so genannten coplas, meist Drei- und Vierzeiler volkstümlicher Überlieferung oder in Form von Gedichtfragmenten. Sie zeichnen sich sprachlich durch Elemente des Andalusischen und des Caló-Zigeunerdialekts aus und erzählen - mit meist pessimistischem Unterton - von rudimentären Lebenserfahrungen wie Angst und Tod, aber auch Lebensfreude und Ironie. Wie beim Volkslied ganz allgemein nimmt die Liebe eine zentrale Stelle ein; besonders auffallend ist auch die Verehrung der Mutter. Diese Themen "werden immer wieder variiert, und selbst die traditionellen Texte werden umgeformt". (11)

Was schließlich Stimme und Interpretation betrifft, so verbindet sich mit dem Flamenco nicht etwa die Vorstellung von "stimmlicher Schönheit", sondern eher von "Substanz". Aus diesem Grund "sind die Zigeunerstimmen (voz afillá, naturá, redonda) in ihrer rauen, natürlichen Tönung am besten geeignet, den uralten Tonfall des Gesanges neu entstehen zu lassen". (12) Seit den sechziger Jahren sind El Agujetas, José Menese oder der 1992 jung verstorbenen Camarón de la Isla echte Nachfolger der alten Interpreten.

---------

(1)  Cf. dazu die folgende Literatur: Christof Jung, Flamenco Lieder, Köln 1970; Ricardo Molina / Antonio Mairena: Mundo y formas del cante flamenco, Sevilla 1971; Claus Schreiner (Hg.), Flamenco gitano-andaluz, Frankfurt a. M. 1985.

(2)  Cf. dazu sowie zu den folgenden Ausführungen Marion Papenbrok, "Zur Geschichte des Flamenco", in: Schreiner, S. 37ff., sowie Molina, S. 18-19.

(3)  Die folgende Zusammenstellung stammt vom Verfasser, auf der Basis der Ausführungen von Molina, S.153 ff.

(4)  Cf. dazu Jung, S. 9.

(5)  Jung, S. 9.

(6)  Papenbrok, S. 39.

(7)   Jung, S. 10.

(8)   Jung, S. 10.

(9)    Jung, S. 11.

(10) Jung, S. 12.

(11) Jung, S. 13.

(12) Jung, 8. 14.

horizontal rule

Impressum | Datenschutzerklärung und Cookies

Copyright © Hispanoteca - Alle Rechte vorbehalten